In den letzten Monaten bin ich, wie bereits schon vor 10 Jahren, mit den unterschiedlichsten Ausprägungen von Betroffenheit konfrontiert worden.

Kaum dass ich selbst die Diagnose erfahren hatte, wurde mir schon bang, wie die Nachricht mein Umfeld schocken würde und diesmal bat ich meinem Mann sofort darum, die neuesten Informationen in die Welt zu setzen und mich von der „Kommunikationsfront“ fern zu halten.

Ich bin ihm sehr dankbar dafür, dass er mir diese Gespräche, bzw. Reaktionen weitgehend erspart hat. Ich hatte die Nachricht ja selbst noch lange nicht verdaut und war in keinster Weise in der Verfassung, nun auch noch die Bestürzung meiner Freunde, Bekannten und Kollegen zu verkraften.

Natürlich ist es einerseits tröstlich, viel Anteilnahme zu erfahren, andererseits spült jedes dieser Gespräche die ganze Tragik der Situation wieder in den Vordergrund und kann sie doch nicht verbessern.

Genau das ist ja auch der Auslöser für die Betroffenheit – das Unbegreifliche und die eigene Ohnmacht, an der Lage etwas ändern zu können. Ich habe diese Hilflosigkeit bei der Erkrankung und dem Krebstod meines Vaters 1998 ja selbst in der Rolle als Angehörige erlebt. Ich kann es den Menschen also nicht verdenken, dass sie meist überfordert sind und mir Reaktionen von bitteren Tränen bis hin zum gut gemeinten „das schaffst du schon!“ liefern. Dafür will ich auch niemandem böse sein – das ist doch menschlich, finde ich. 

Auch viele Tipps über alternative Methoden, Ernährungsformen, etc. kommen von allen Seiten. Wenn ich die alle ausprobieren wollte, müsste ich wohl 100 Jahre alt werden… Dennoch bin ich dankbar für diese Anregungen und habe schon einen kleinen „Expertenzirkel“ von Familie und Freunden damit beauftragt, diesen Tipps auf den Grund zu gehen und zu checken, ob sie geeignet sind, die Art von Tumor anzugehen, um den es bei mir geht.

Für mich wird gebetet, Mantras werden rezitiert, Gedanken, Wünsche und Energien werden in meine Richtung gelenkt und ich nehme all das mit offenem Herzen entgegen und bin von all dem Engagement sehr berührt!

Inzwischen habe ich den Eindruck, dass bei den Meisten (wie auch bei mir) der erste Schock überwunden ist und der Umgang miteinander wieder lockerer, unbefangener und weniger bitter gelingt. Auch mein Freundeskreis lernt, dass die Krankheit uns nicht davon abhalten kann, zu lachen und Spaß zu haben, sich über die banalen, alltäglichen Ereignisse und Erlebnisse auszutauschen, sofern es meine körperliche und mentale Verfassung zulässt.

Genau wie ich dürfen nun alle die Erfahrung machen, dass auch krebskranke Menschen Teil am Leben haben und nicht nur den ganzen Tag isoliert um die eigene Krankheit kreisen.

Tatsächlich wird mir erst jetzt bewusst, dass ich selbst bisher keine vergleichbare Situation in meinem Umfeld erlebt habe. Krebserkrankungen in der Familie oder im Bekanntenkreis wurden stets schnell als aussichtslos eingestuft und führten zumeist tatsächlich bald darauf zum Sterbeprozess oder sie galten (wie zuletzt bei mir) nach Therapie als geheilt. Die Kategorie „unheilbar und lebenslang von Therapie begleitet“ lerne ich zum ersten Mal kennen und sehe mir selbst erstaunt dabei zu, wie ich damit Schritt für Schritt umzugehen lerne.

Von einer befreundeten Familie in der Schweiz erfuhr ich vor einigen Monaten, dass sie bereits seit 2018 in einer vergleichbaren Situation ist. Sie haben nach meinem Verständnis den bestmöglichen Umgang mit ihrer Situation gefunden, sie können auch noch zusammen verreisen … immer vor dem Hintergrund, dass sich alles schnell ändern kann.
Wie dem auch sei: Jetzt sind wir noch hier und in einer Verfassung, die uns eine (wenn auch eingeschränkte) Teilnahme am „normalen Leben“ erlaubt. Also lasst uns jetzt das Leben feiern, statt betroffen zu sein – „Schmützli“ in die Schweiz 😉