Ist Krebs Krieg?

Im Umgang mit der Diagnose Krebs verfällt ein Großteil der Betroffenen und Beteiligten schnell in eine Wortwahl, die mich an Kriegsberichterstattung aus den Nachrichten erinnert: von „besiegen, den Kampf verloren, Tapferkeit, zum Opfer fallen“, etc. ist die Rede, wenn wir über betroffene oder verstorbene Krebspatienten sprechen.

Ist Krebs wirklich eine Kriegserklärung? Wenn ja, von wem an wen – von meinem Körper an meine Seele oder meinen Geist? Ich kann das nicht nachvollziehen und möchte mich auch nicht in diese Opferrolle hinein reden lassen. Wenn mein Körper etwas zum Ausdruck bringen möchte, dann doch am ehesten ein Hilfegesuch, eine Art Weckruf, um eine Rettungsaktion einzuleiten.

Schon ändert sich die Sichtweise – vom Kämpfer zum Helfer, zum Geist, der versucht, die Signale des Körpers ab jetzt besser zu verstehen und der die Therapien mit positiven Gedanken unterstützen kann. Aus Krieg wird ein friedlicher Prozess, um zu retten, was zu retten ist. Wenn das Leben schon verfrüht zu Ende gehen sollte, dann doch bitte nicht im Krieg mit mir selbst.

Schon bei meiner ersten Krebserfahrung habe ich dazu einige mentale Techniken angewendet, zum Beispiel die Begleitung der Chemo- und Strahlentherapie mit visueller Autosuggestion. Die erwünschte Wirkungsweise der Therapien habe ich mir dafür während der Infusionen oder Bestrahlungen in Anlehnung an Simonton und Simonton bildlich vorgestellt und zusätzlich noch zuhause dazu meditiert. Für unerwünschte Nebenwirkungen konnte ich mir vorstellen, wie diese innerlich durch Schutzmechanismen vermieden werden. Auf diese Weise hatte ich die Gelegenheit, mitzuwirken und aus der vermeintlichen Hilflosigkeit heraus zu kommen.

Dieser Rückfall hat mich nun daran erinnert, wie wichtig es für mich ist, mich mit diesen mutierten Zellen zu arrangieren – sie scheint eben eine Lebensaufgabe für mich zu sein, gewissermaßen ein Teil von mir. Diesem wohl lebenslangen Prozess gilt es jetzt, mich zu widmen, mich ihm hinzugeben, mit möglichst viel Energie und Eigenliebe. Bitte nicht verwechseln: Ich möchte mich nicht mit dem Krebs identifizieren. Ich habe Krebs, aber ich bin nicht die Krankheit. Das ist wie mit der Angst: Ich habe sie immer wieder aber sie wird mich nicht besitzen. Oft habe ich beim Blick in die Gesichter von Mitbetroffenen den Eindruck, sie stecken fest, in dieser angstbesetzten Rolle der Kämpferinnen „gut gegen böse“, „schwach gegen mächtig“, „tapfer gegen hinterlistig“. Ich kann mir vorstellen, dass ein Transformieren dieser kriegerischen Energie in eine achtsame, hingebungsvolle und liebevolle Einstellung mir selbst gegenüber den Heilungsprozess gut unterstützt.

Die so eingesparte Energie, stecke ich lieber in ein paar wohltuende, regenerative Übungen für meinen Rücken, Gespräche mit meinen Lieben oder auch in erlaubte Traurigkeit: Was spricht dagegen, das eigene Schicksal und das der Familie zwischendurch ausgiebig zu beweinen, der Seele wieder Luft zu machen und Raum für Frohsinn und genussvolle Momente im Jetzt und Hier. Die Zeit kann ich nicht anhalten, drum macht es Sinn und Freude, möglichst viel gute Energie aus dem Hier und Jetzt zu ziehen.